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    Für die gegenwärtige Form der sich häufig wandelnden und polyzentrischen 
    Arbeitsgesellschaft wird hier nicht der Begriff 'Übergangsgesellschaft' 
    verwendet, da er signalisiert, dass es dann einen Endpunkt geben könnte. 
    Dies kann so sein, aber wenn der Zeitraum von heute aus betrachtet in einer 
    fernen Zukunft von vielleicht fünzig Jahren liegt, sollte eher von permantem 
    Wandel für die Arbeitnehmergesellschaft die eben noch funktioniert, gesprochen 
    werden, zumal kein Mitglied der grossen Koaltion der Verursacher ausser Teilvorschlägen 
    ein wirkliches Zukunftskonzept für eine solche Gesellschaft vorgelegt 
    hat.
    Der bereits in den siebziger Jahren begonnene Strukturwandel von Arbeit ist 
    als Teil eines tiefergehenden gesellschaftlichen Prozesses zu betrachten, 
    der auf Grund seiner internationalen Ausrichtung eher nicht in einem gesellschaftlichen 
    Regulationsmodell herkömmlicher Prägung enden wird. Dies gilt für 
    die Kette von Produktion (darin eingeschlossen der Faktor Arbeit), aber auch 
    Vertrieb und Vermarktung. Durch Dezentralisierung verbunden mit verschärftem 
    Ökonomisierungsdruck kommt der Rationalisierung der Arbeitsprozesse und 
    damit der Arbeitskraft eine zentrale Bedeutung zu. Marktorientierung ist mittlerweile 
    ebenso häufig Güter-wie Kapitalorientiert. Hauptbetroffen ist unübersehbar, 
    das "Normalarbeitsverhältnis", die eine existenzsichernde Beschäftigung, 
    auch für höher Qualifizierte. Es ist also wichtig eine Verständigung 
    herbeizuführen, was denn Sozialstandards sein sollen.Ausgangspunkt der 
    USG-Reformen war die Vorstellung, dass Arbeitskosten verringert werden müssen. 
    
    Dies kann nicht durch die Einführung von Mindestlöhnen(nicht zu 
    verwechseln mit Mindesteinkommen) geschehen. Ein gesetzlicher Mindestlohn 
    würde die beschlossene Umstrukturierung durch die USG teilweise wieder 
    rückgängig machen. Er würde die Nachfrage im unteren Lohnbereich 
    abwürgen, d.h. Arbeitsnachfrage kann nicht wirksam werden. Ein Mindestlohn 
    würde weiterhin Arbeitslosigkeit fortschreiben bei denjenigen, deren 
    Produktivität schwächer ist. Die nach Artikel 72GG hergeleitete 
    Erfordernis zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und den 
    daraus abgeleiteten Anspruch, das alle Landesteile der Republik unabhängig 
    von Produktivitätsunterschieden ein ähnlich hohes Einkommensniveau 
    haben sollen, erzeugt eher eine all-inclusive Mentalität; sie erschwert 
    es, die sozialen Sogeffekte einzudämmen, wenn sie, wie z.Zt., das wirtschaftliche 
    Fundament des Staates beeinträchtigen.Anders formuliert: Ebensowenig, 
    wie U.S.-Amerikaner ein verfassungsmässig verbrieftes Recht auf preiswertes 
    Benzin haben, können Bundesbürger einen sogenannten 'Normalarbeitsplatz' 
    mit existenzsicherndem Einkommen auf Dauer erwarten. Es ist inzwischen so, 
    das Arbeitsplätze mit geringer Wertschöpfung aus dem 1. Arbeitsmarkt 
    herausgedrängt wurden; daher muss es also darum gehen, Kosten und Qualifikation 
    der Arbeit wieder zur Deckung zu bringen.Eines der Hauptprobleme für 
    Geringqualifizierte ist die Tatsache, dass die meisten dieser Tätigkeiten 
    aus dem schwer rationalisierbaren und preiselastischen Konsum-und Dienstleistungssektor 
    stammt. 
    Viel zu lang versuchten Deutschlands Gewerkschaften aber beharrlich, Fakten 
    zu ignorieren. Noch immer scheinen sie teilweise zu glauben, für die 
    hiesige Volkswirtschaft gebe es eine gleichsam natürlich vorgegebene, 
    konstante Menge an menschlicher Arbeit, und es komme nur darauf an, diese 
    richtig auf die Beschäftigen zu verteilen. Auf dieser irrigen Analyse 
    beruhte der Kampf für die allgemeine Verkürzung der Wochenarbeitszeit 
    auf 35 Stunden. In Wahrheit sind in der Wirtschaft Preise und Mengen rückgekoppelt, 
    auch auf den Arbeitsmärkten ist dies nicht anders. Je höher der 
    Lohn aber und vor allem die Zusatzkosten je Arbeitsstunde, desto geringer 
    die Nachfrage nach Arbeit. Diese wesentliche ökonomische Tatsache zu 
    leugnen, konnten sich die Deutschen in der Vergangenheit noch halbwegs leisten 
    – solange die hiesigen Arbeitnehmer über einen Ausbildungsvorsprung 
    verfügten und die Produktpalette deutscher Firmen technisch führend 
    war. Dies ist jetzt aber nur noch bedingt der Fall. 
    Eines eint alle Wahlkämpfe seit mindestens 1998: Die konkurrierenden 
    Parteien wollen zu mehr Arbeitsplätzen über mehr Wirtschaftswachstum 
    kommen, daher kann dies nicht häufig genug mit dem 'Warten auf Godot' 
    verglichen werden. Die Prognosen der meisten Experten weisen daraufhin, dass 
    auch in den nächsten Jahren nicht mit so viel Wirtschaftswachstum zu 
    rechnen ist. Es stellt sich die Frage, wieso wird dieser Lösungsansatz 
    weiter verfolgt?
    Seit langem herrscht eine 'Zweiklassengesellschaft' im Bereich der Wirtschaft: 
    die 'boomende' Exportwirtschaft und ihre Firmen auf der einen Seite, die vorführen,dass 
    Teile der Wirtschaft hochproduktiv sind, da mit immer weniger Mitarbeitern 
    immer grössere Gewinne erzielt werden..In diesem Zusammenhang stellt 
    sich auch die Frage, warum so viel wert auf möglichst hochqualifizierte 
    Ausbildung bei Jugendlichen gelegt wird; oft verbunden mit dem Wunsch nach 
    Hochschulstudium. Bei fortschreitender Rationalisierung ist nicht davon auszugehen, 
    dass alle diese gut ausgebildeten Menschen auch Arbeitsplätze in Deutschland 
    vorfinden werden. Auf der anderen Seite die krisengeschüttelten, überwiegend 
    für den Binnenmarktproduzierenden Firmen, hier vor allem das Handwerk 
    als ortsnahe Dienstleistung und der Einzelhandel.
    Das Modell des Wartens auf Godot ist alleiniges Lösungsmodell ungeeignet 
    auf den diesbezüglichen zweigeteilten Arbeitsmarkt eine Antwort zu bieten. 
    Angesichts der grossen Probleme der Bundesrepublik werden langfristig ausgerichtete 
    Reformanstrengungen gebraucht. Aber auch im jetzigen Wahlkampf ist zu beobachten, 
    dass der Mut zu grundsätzlichen marktwirtschaftlichen Reformen bei den 
    grossen Volksparteien nur sehr vage und widersprüchlich vorhanden ist.
    Eine grosse 'Fehlfunktion' und weiterenrGrund für die Dominanz von Hartz 
    IV über Innovation, ist das Phänomen der Altersdiskriminierung. 
    In den 80ern und 90ern gab es einen Zeitgeist , verursacht durch eine "grosse 
    Kolation" von CDU/CSU, SPD und Gewerkschaften, gefördert durch die 
    Medien, hervorgerrufen durch häufiges Frühverrenten.
    Das Altersteilzeitgesetz von 1996 (Gesetz zur Förderung eines gleitenden 
    Übergangs in den Ruhestand) ist mittlerweile zu einem Gesetz zur Förderung 
    des vorzeitigen Ruhestandes geworden. Es ist damit zu einer vielgenutzten 
    Variante jener Frühverrentungen geworden, die es eigentlich eindämmen 
    sollte .Das als Alternative gedachte Modell "Altersteilzeit statt Vorruhestand" 
    ist zur Kombination "Altersteilzeit und Frührente" geworden. 
    (Vgl. Hierzu auch Der Spiegel 30/2005).
    Egal, ob man es dem Zeitgeist, dem Jugendwahn oder welchem Phänomen auch 
    immer zuschreibt, seit Jahren werden ältere Menschen als alt bezeichnet, 
    ohne dass ihr tatsächliches Potential genauer hinterfragt wird. Es gibt 
    tatsächlich Alte unter den Älteren, aber die sind auch bei 30-jährigen 
    zu finden! Alter ist relativ, vielfach wird gesagt, die heutigen 50-jährigen 
    sind die dreißigjährigen – wie auch immer- vielleicht könnte 
    man ab 85 als alt sprechen.
    Im Einsteinjahr sollten auch andere Gesetzmässigkeiten nicht aus dem 
    Blickfeld geraten: Es mag zu Reibungsverlusten führen, aber die Energie, 
    die aus der Reibung von Alt und Jung entsteht, kann auch äußerst 
    gewinnbringend für Firmen sein. Energie wiederum ist eine wichtige Triebfeder 
    für Entwicklungen jeder Art und kann ungeahnte Kräfte und Dynamiken 
    freisetzen. Einer Kanzlerkandidatin und Physikerin, sollte die Wirkung doch 
    bekannt sein. Fitte 50-jährige bieten viele Vorteile, die für Firmen 
    wichtig und interessant sind; es gilt also eine grosse Marktlücke zu 
    schliessen.
Auch im Jahr 2005 bleibt uns die Innovation erhalten .Die Anfang 2004 mit 
    24 Partnern gegründete Runde „Partner für Innovation“ 
    möchte gerne einen Mentalitätswandel befördern, da viele Bundesbürger 
    mit dem Begriff Innovation nicht auch neue Chancen verbinden, sondern eher 
    Risiken, laut einer Umfrage der Partner. Es wird auch eine High-tech Gründerfonds 
    mit zunächst 140 Mio Kapital aufgelegt. (FTD 19.April 2005) Auch unter 
    einer möglichen Kanzlerin Merkel wird das Thema als 'Innovationsrat' 
    fortgeführt. Inwieweit dies ein grösseres Lösungspotential 
    bietet als das alte Gremium, muss sich noch erweisen.
    Während der Kanzler nach wie vor dem alten Glauben an den wissenschaftlich-technischen 
    Fortschritt das Wort redet, der weiterhin Sicherheit und Kontrolle ermöglichen 
    soll, unter Mithilfe/Durchsetzung moderner Institutionen, ist aber bereits 
    seit Max Weber bekannt, dass Verantwortung, Zurechenbarkeit und Demokratie 
    eine Einheit bilden. Heutige Formen von Legitimität und Herrschaft fallen 
    auseinander, da transnationale Unternehmen unterschiedlichster Art sich weitestgehend 
    einer Transparenz entziehen und in Anonymität verharren. Die Interdependenzen 
    haben sich neu formiert. Innovation und Gerechtigkeit sind ein Gegensatzpaar, 
    daher die Reibungsverluste. Mit dem Begriff Innovation verbindet sich eine 
    gewisse Dynamik, die nach allgemeiner Auffassung vorwärtsstrebt. Gerechtigkeit 
    ist, wenn vielleicht nicht statisch, so doch aufgrund der gesellschaftlichen 
    Interpretation der Einbeziehung möglichst vieler Schichten mit einem 
    gewissen retardierenden Moment versehen; oder aber, um mit Camus zu sprechen, 
    Gerechtigkeit gibt es nicht, aber es gibt Grenzen. Diese muss moderne Sozialstaatspolitik 
    versuchen festzulegen.
    Die seit anfang der 60er Jahre aufgebaute Vorstellung, das Wirtschaftswachstum 
    stünde Verteilungswünschen beliebig zur Verfügung, hat sich 
    als Trugschluss erwiesen. Immer noch wird aber soziale Gerechtigkeit und das 
    Sozialsystem in den Vordergrund gestellt, während die Verantwortung des 
    Individuums im Nebulösen verharrt. In diesen Bereich gehört auch 
    der vielfach genutzte Begriff der Gleichheit, der häufig auch als Teilhabe-oder 
    Verteilungsgerechtigkeit daherkommt. Letztlich aber ist in Deutschland ein 
    anderes Verhältnis zu Ungleichheit notwendig. Zu diesem Aspekt finden 
    sich sehr bemerkenswerte Ausführungen über die tatsächliche 
    Berliner Republik in einem leider wenig beachteten Artikel von Arno Widman 
    (Berliner Zeitung 28./29.Mai 2005). Allerdings kann noch nicht wirklich von 
    ankommen in der Berliner Republik im Widmannschen Sinn die Rede sein, da die 
    'Berliner Republik' ein permanenter Wandel ist, der sich möglicherweise 
    über viele Jahrzehnte erstrecken wird. Der Abschied von alten Vorstellungen, 
    wie im Artikel versucht, wird von den Parteikonzepten nicht aufgenommen.
    Auch Paul Noltes Beschreibung (Der Tagesspiegel 29.Mai 2005) der gegenwärtigen 
    gesellschaftlichen Zustände über die Definition der neuen(alten) 
    Mitte betrifft eben nicht die gesamtgesellschaftliche Ausrichtung. Beide Autoren 
    nähern sich dem Gegenstand der Betrachtung der gesellschaftlichen Zustände 
    von unterschiedlichen Perspektiven her; Widman den Rändern, Nolte der 
    Mitte. Es ist Nolte zumindest dahingehend zu widersprechen, dass eine Diagnose 
    nicht so wichtig sei; ohne korrekte Diagnose, keine adäquate Behandlung. 
    Beide Artikel charakterisieren aber zutreffend den Zustand der Programmdiskussion 
    der Parteien, die auch nicht die Frage beantworten wollen oder können, 
    welche Zukunftsperspektive sie denn gesamtgesellschaftlich sehen.
    Ungleichheit muss nicht ausschließlich negativ sein und auch nicht bedeuten 
    ,dass es immer automatisch Verlierer gibt. In den U.S.A. setzt Ungleichheit 
    auch eine Dynamik frei und kann eine zusätzliche Motivation bieten. Sie 
    kann zu Vielfalt führen, Potentiale und Kreativität hervorbringen.
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